Oljespråket – die norwegische Ölsprache. Das Foto zeigt eine Bohrplattform im Oseberg Field.

Oljespråket – die norwegische Ölsprache

Norwegen verfügt über reiche Erdöl- und Erdgasvorkommen im Festlandsockel der Nordsee. Im Herbst 1969 wurde durch die US-amerikanische Phillips Petroleum Company das erste bedeutsame Ölfeld (Ekofisk-Feld) ausfindig gemacht. Ab 1970 kam auch die Erdgasförderung in Gang. Auf die Suche nach diesen Rohstoffen haben sich zu dieser Zeit vorrangig Gesellschaften aus den USA und Großbritannien begeben. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass 10 Jahre nach dem o.g. Fund der norwegische Anteil an allen bis dahin entdeckten Vorkommen nur knapp ein Drittel betrug. Erst im Jahr 1972 gründete der norwegische Staat die Erdölgesellschaft Statoil, um mehr Einfluss auf das Ölgeschäft nehmen zu können. Im Mai 2018 wurde der Name von Statoil zu Equinor geändert.

Übermäßiger Gebrauch englischer Fachtermini

Die norwegische Sprache blieb von dieser Entwicklung nicht unbeeinflusst, da Englisch in den Anfangsjahren auf den Bohrplattformen, in den Ölgesellschaften sowie in der Zulieferindustrie größtenteils als Arbeitssprache benutzt wurde.

Neben dem übermäßigen Gebrauch von englischen Fachtermini durch die norwegischen Erdölarbeiter mit dem Begriff blow-out (‘unkontrollierter Öl- bzw. Gasausbruch‘) als bekanntestem Beispiel sind auch Beispiele für eine in Ansätzen entstandene Mischsprache dokumentiert. Als Beispiel sei hier der Satz Du må ha vørk permitten saina. genannt.
Statt der richtigen norwegischen Variante Du må ha underskrift på arbeidstillatelsen. wurde der (Misch)Satz eindeutig analog zur englischen Vorlage You must have your work permission signed. (‘Du benötigst eine Unterschrift auf deiner Arbeitserlaubnis.‘) gebildet. In der norwegischen Sprache ist also ein Satz nach grammatischen Regeln und Gesetzmäßigkeiten der englischen Sprache gebildet worden.

Diese Thematik war nicht nur eine Herausforderung für die Erdöl- und Erdgasindustrie, sie ist auch rasch zu einem wichtigen Aufgabengebiet für die norwegische Sprachwissenschaftler geworden, denn die englische Sprache wurde nicht nur als Gefahr für die norwegische Sprache wahrgenommen, sondern auch als ein mögliches Sicherheitsrisiko auf den Bohrplattformen eingestuft.

Die Offshore-Industrie mit ihrer voll ausgeformten englischen Fachterminologie fand deshalb von Beginn an das besondere Interesse des norwegischen Sprachrates, der sich in Zusammenarbeit mit dem Rat für technische Terminologie (RTT) für die Ausarbeitung einer norwegischen Ölterminologie und deren Anwendung einsetzte.

Als Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen dem Norwegischen Sprachrat und dem RTT wurde bereits 1980 das „Ordbok for petroleumsvirksonhet“ mit 1.150 Fachausdrücken und im Jahre 1982 eine „Oljeordliste“ mit 400 Öltermini herausgegeben. Diese beiden Ausgaben enthielten Übersetzungsvorschläge für die im Gebrauch befindlichen englischen Fachwörter.

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Englische Fachtermini in der norwegischen Ölsprache. Das Foto zeigt eine Bohrplattform im Sleipner-Feld.

Norwegisierung englischer Fachausdrücke in der norwegischen Ölsprache. Das Foto zeigt die Bohrplattform Troll A.

Norwegisierung englischer Fachausdrücke

Ein Beispiel für eine gelungene Norwegisierung eines englischen Fachausdruckes der Offshore-Industrie aus dieser Zeit sei an dieser Stelle erwähnt.

Für das o.g. englische Substantiv blow-out wurde die Lehnübersetzung utblåsning kreiert. Sehr viel schwieriger war es, ein geeignetes norwegisches Wort für blow-out preventer (Ausbruchschieber oder Ausbruchsverhüter) zu finden. Das Substantiv sikringsventil ('Sicherungsventil') ist zwar richtig, besagt aber nichts über die Art der Sicherung, um die es sich handelt.
Andere mögliche Übersetzungsvarianten waren utblåshindring, utblåshinder oder utblåsstenge. Diese Begriffe drücken zwar aus, worum es sich dreht, nämlich um eine Sicherungsvorrichtung, die das unkontrollierte Ausströmen von Öl und Gas verhindert, sie sind aber ähnlich lange Wörter wie die englische Vorlage.

Die Redakteure der Zeitung Dagbladet fanden eine andere gute Lösung. Sie bildeten ein Initialwort aus den drei Anfangsbuchstaben des englischen Originals und ordneten diesem Kurzwort den unbestimmten Artikel -en zu, so dass en BOP entstand mit der bereits genannten Bedeutung. Diese Form hat auch Eingang in die oben erwähnten Wortlisten gefunden. Mit Fantasie wurde also ein norwegisches Wort gefunden, selbst wenn der Ursprung englisch war.

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Norwegisch als Arbeitssprache auf dem norwegischen Festlandsockel

1983 entschieden sich norwegische Regierung und die staatliche Ölgesellschaft Statoil für die norwegische Sprache als Arbeitssprache auf dem norwegischen Festlandsockel und fassten entsprechende Beschlüsse. Im darauf folgenden Jahr erhielten die Sprachforscher der Universität in Bergen (UiB) den Auftrag, eine norwegische Ölterminologie zu erarbeiten.

Die UiB-Forscher übersetzten, systematisierten und strukturierten tausende von Fachbegriffen im Rahmen des Projekts mit dem Namen Terminol. Sie veröffentlichten 40 Wörterbücher zu 38 verschiedenen Themen und schufen die Sprachdatenbank Norsk Termbank (NOT) mit insgesamt 10.000 Wörtern und Ausdrücken.
Die umfassende Terminologiearbeit hat dazu beigetragen, dass die Arbeiter auf den Ölplattformen anfingen, norwegische Wörter und Ausdrücke zu verwenden. Dass die norwegische Ölsprache zur Realität geworden ist, liegt nach Aussage der Linguisten daran, dass die richtigen Begriffe zum richtigen Zeitpunkt lanciert worden sind.

Die Terminologiearbeit kann als norwegischer Spracherfolg gewertet werden. Was für eine Ironie aber, dass ausgerechnet das englische Wort Offshore das Wort ist, das in Norwegens Nationalindustrie am häufigsten gebraucht wird.

(Quellen: diverse Ausgaben der Zeitschrift Språknytt utgitt av Språkrådet; Kim Andreassen: Rett språk til rett tid)

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Norwegisch als Arbeitssprache auf dem norwegischen Festlandsockel. Das Foto zeigt die Bohrplattform Troll A.

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