Mein fotografischer Blick

Das Hobby „Fotografieren“ begleitet mich seit dem Jahr 1981. Ich war damals Student der norwegischen und englischen Sprache an der Sektion Nordeuropawissenschaften der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und sollte im Sommer die einmalige Chance erhalten, die DDR für ganze drei Wochen für die Teilnahme an einem internationalen Sprachkurs an der Universität in Bergen in Norwegen verlassen zu dürfen. Was für ein surreales und eigentlich peinliches Erlebnis zur damaligen Zeit!

Fotografische Streifzüge durch Altstädte der DDR

Ich würde also in Kontakt kommen mit Studenten der norwegischen Sprache aus vielen Ländern und hatte mir deshalb vorgenommen, meine Heimatstadt Neustrelitz und meine Universitätsstadt Greifswald in einem Lichtbildervortrag vorzustellen. Eine Kamera musste also her, und zwar eine möglichst gute. Da ich keine Ahnung von Belichtungszeiten und deren Einstellung hatte, kam nur eine Kamera mit Belichtungsautomatik in Frage. Meine Tante arbeitete im Neustrelitzer Foto-Optik-Geschäft, sodass ich glücklicherweise nicht sehr lange auf meine Spiegelreflexkamera vom Typ Praktica MTL 3 warten musste. Der Preis lag bei rund 800 Mark. Für mich als Student mit einem monatlichen Stipendium von 200 Mark war das eine sehr erkleckliche Summe. Aber wie oft bot sich einem schon die Chance, nach Norwegen reisen zu dürfen?

Ich war in den Wochen vor meinem Flug nach Norwegen oft mit meiner Praktica in Neustrelitz und in Greifswald unterwegs. Entstanden sind damals viele Farbdias und Schwarz-Weiß-Fotos, die in der Fotogalerie auf dieser Website unter dem Reiter „Neustrelitz 1980er Jahre“ sowie „Greifswald 1980er Jahre“ zu sehen sind. Bei diesen nunmehr schon historischen Neustrelitz- und Greifswald-Bildern sowie bei den Fotos unter dem Reiter „DDR 1980er Jahre“ mit historischen Bildern aus Berlin, Hauptstadt der DDR, Stralsund, Rostock, Erfurt, Weimar, Dresden und Meißen kommt ganz deutlich zum Ausdruck, was für mich schon immer den Reiz des Fotografierens ausmachte. Fotografien fangen immer einzigartige Momente ein, Momente, die nicht wiederholbar sind.

Greifswald, wie es bröckelte

Auf meinen fotografischen Streifzügen durch die Greifswalder Altstadt abseits der F-Straße (damals gebräuchliche Abkürzung für Straße der Freundschaft, heute: Lange Straße) ist mir klar geworden, in welch erbärmlichen Zustand sie sich befand. Während in den Politseminaren an der Sektion Nordeuropawissenschaften der Sozialismus permanent am Siegen war, entwickelten sich die Altbauten allmählich zu Ruinen.
Bröckelnder Putz, kaputte Fenster, fehlende Fallrohre und Dachrinnen, aus denen Gras wuchs: So traurig präsentierte sich mir die Altstadt in der über 700 Jahre alten Universitäts- und Hansestadt Greifswald. Im zweiten Weltkrieg unzerstört geblieben, fiel sie nun in großen Teilen einfach in sich zusammen oder wurde großflächig abgerissen. So entstand Platz für „angepasste“ Plattenbauten.

In der Fotogalerie dieser Seite befinden sich zwei besonders bedrückende Fotos von Häusern in der Greifswalder Altstadt der 1980er Jahre. Die Bewohner dieser Häuser malten jeweils den Hinweis auf die Fassade: „Achtung. Dieses Haus ist bewohnt.“ Hatten Sie Angst davor, dass ihre Häuser unkontrolliert der Abrissbirne zum Opfer fallen würden? Leider kann ich nicht sagen, ob die beiden Häuser heute noch stehen. Den genauen Standort notierte ich leider nicht.

Der Zustand der Greifswalder Altstadt stand stellvertretend für den Zustand der Altstädte der DDR im Allgemeinen. Das, was ich damals in Greifswald als Resultat jahrzehntelanger baulicher Verwahrlosung sah, fand ich auch in Stralsund oder Rostock, Weimar oder Meißen vor. Auch hier standen viele Häuser leer und verfielen zusehends, jedoch hatte ich den Eindruck, dass die Situation in Greifswald ganz besonders schlimm war. Das Fotografieren in einer solchen Atmosphäre war für mich sehr reizvoll und hatte etwas von einer Romantik des Untergangs, wobei Anfang der 1980er-Jahre für mich noch nicht abzusehen war, wie lange diese Romantik wohl noch andauern würde.

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Altstadt Greifswald 1980er-Jahre, Greifswald zu DDR-Zeiten

Bergen in Norwegen – eine Bilderbuchstadt

Natürlich begleitete mich meine Praktica-Kamera auch nach Bergen in Norwegen zum internationalen Sprachkurs. Wenn ich die Stadt mit zwei Wörtern hätte beschreiben sollen, hätte ich „bunt“ und „wunderschön“ gesagt – so bunt und so wunderschön, wie ich mir eine westliche Stadt als DDR-Student nicht hätte vorstellen können.

Den Farbfilm nicht vergessen

Die bunten Holzhäuser in den Straßen und Gassen der Hansestadt Bergen standen im krassen Gegensatz zum Einheitsgrau der Häuser der Hansestadt Greifswald. Sie waren eine Wohltat für die Augen und boten eine Unmenge an faszinierenden Fotomotiven. Nach meiner Rückkehr berichtete ich in einem Diavortrag im Club 9 des Studentenwohnheims Hans-Beimler-Straße über meinen Aufenthalt in Bergen. Ein Student stellte mir eine ungewöhnliche, eher naive Frage und wollte wissen, ob die Farben echt seien oder ich einen besonderen Farbfilm benutzt hätte. Natürlich waren die Farben echt, und ich verwendete auch keinen besonderen Film. Mit einem ganz normalen ORWO-Diafilm aus dem VEB Filmfabrik Wolfen gelangen mir augenscheinlich Fotoaufnahmen, die einen gelernten DDR-Studenten verwirren konnten. Eigentlich eine traurige Geschichte…

Diavortrag, politische Zusammenhänge und Stasiakte

Erstaunlicherweise fand mein Diavortrag Eingang in meine Stasiakte. Im Bericht des IM Marian vom 21.3.1982 heißt es: „… Längere Diskussionen haben jedoch gezeigt, daß er nicht in der Lage ist, die Manipulation, der wir durch das Studium nordeuropäischer Presseerzeugnisse ausgesetzt sind, zu durchschauen. … Auch die Auswertung seines Norwegenaufenthaltes – in Form eines Dia-Vortrages – zeigte, daß ihm grundlegende politische Zusammenhänge unverständlich blieben.“ Wer hatte da eigentlich was nicht verstanden? Politische Zusammenhänge hatte ich in meinem Vortrag nicht thematisiert, ich ließ lediglich die vielen bunten Fotos sprechen. Wenigstens der naive Fragesteller dachte laut nach…

Bunte Holzhäuser in der Altstadt von Bergen in Norwegen

Malchower Farbfototage 1986

Die Altstadtfotos von Greifswald und die Fotos der Hansestadt Bergen waren meine ersten umfangreicheren Fotoserien. Als ich 1985 von der Bezirks-Farbdiaschau des Bezirkes Neubrandenburg (heute Teil des Landes Mecklenburg-Vorpommern) hörte, entschloss ich mich spontan zur Teilnahme und sandte einige Greifswald- und Bergen-Dias ein.
Ich freute mich riesig darüber, dass mir für meine gute Bildleistung eine Anerkennung ausgesprochen wurde und zwei Dias für die Bezirkskollektion ausgewählt wurden, die den Bezirk Neubrandenburg während des 8. Zentralen Leistungsvergleichs der Farbdiafotografie der DDR im Rahmen der 11. Malchower Farbfototagen vom 28. Februar bis 2. März 1986 vertreten sollte. Veranstalter war der Zentralvorstand der Gesellschaft für Fotografie im Kulturbund der DDR.

Bei den ausgewählten Dias handelte es sich um ein Greifswald-Dia mit dem Titel „Rekonstruktion“ und ein Bergen-Dia mit dem Titel „Studienaufenthalt in Bergen“. Die Auswahl der Dias durch die Jury fand ich bemerkenswert. Das Greifswald-Dia - weiter oben auf dieser Seite - zeigte eines der beiden o.g. Altstadthäuser mit dem von der Angst vor dem Abriss geprägten Hinweis des Bewohners auf der Fassade: „Achtung. Dieses Haus ist bewohnt.“ Es handelte sich ohne Zweifel um ein sehr interessantes Fotomotiv, jedoch versprühte es nicht gerade sozialistische Lebensfreude.

Das Bergen-Dia - hier in diesem Absatz - zeigte eine Reihe mit bunten Holzhäusern in der Altstadt. Aus dem von mir gewählten Bildtitel „Studienaufenthalt in Bergen“ machten die Veranstalter in der Titelliste des Teilnehmerverzeichnisses allerdings „Studienaufenthalt in den Bergen“. Handelte es sich um ein Versehen oder durfte nicht wahr sein, was nicht üblich war?

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Meer und mehr

Greifswald ist längst keine graue Stadt am Bodden mehr, sondern präsentiert sich wie die meisten ostdeutschen Altstädte mehr als 30 Jahre nach der politischen Wende als wahres Schmuckkästchen. Das bröckelnde Einheitsgrau, der morbide Charme der Abrisshäuser und die Untergangsstimmung sind als reizvolle Fotomotive weggefallen. Heute fotografiere ich gerne den Sonnenaufgang im Oderbruch, Klatschmohnfelder im Barnim, Rapsfelder in Märkisch-Oderland, das Meer und mehr…
Ich lade Sie ein zu einem Besuch in meiner Fotogalerie. Hier finden Sie eine große Anzahl von Fotos verschiedener Themen wie „DDR 1980er-Jahre“, „Berlin (Ost) 1980er-Jahre“, „Greifswald 1980er-Jahre“, „Greifswald nach der Wende", „Neustrelitz 1980er-Jahre“, „Stadt & Land“, „Landschaft“, „Menschen“, „Meer“ und „Mehr“.

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